Einen Traum aufgeben heißt auch ein Leben gewinnen.

Dieser Satz eines jungen Mannes, der seit früher Kindheit querschnittgelähmt war, hat mich eindringlich in seinen Bann gezogen.
Meine erste Reaktion war: Muss ich einen Traum aufgeben, um ein Leben zu gewinnen?
Heißt das, dass Träumer:innen nicht im richtigen Leben angekommen sind?
Brauchen wir nicht einen Leuchtturm, der uns hilft, durch die heftigen Wogen des Lebens zu kommen, um ein Ziel zu erreichen?
Oder ist ein Traum etwas ganz anderes als ein Leuchtturm?
Sind nicht die großen Träumer:innen auch die Visionär:innen, die die Welt im besten Fall ein schönes Stück weiterbringen?

Der Satz markiert meiner Meinung nach einen Wendepunkt im Traum.
Der Traum wird dann zum Albtraum, wenn er nichts mehr mit der Realität, mit dem Leben, dem Möglichen zu tun hat.
Lebenslänglich einer Illusion hinterherzuhecheln, die niemals real sein kann – und damit das mögliche und reale Leben ungelebt lassen.

Gerade in der heutigen Zeit, in der über soziale Medien so viele Scheinrealitäten transportiert werden, verrutscht die Ausgewogenheit zwischen Schein und Sein mehr und mehr.
Was ist real, was nicht?

Der Satz stellt mir die Frage: Wo träume ich – und hindere mich dadurch am Leben?
Welche Illusionen halte ich aufrecht, weil ich sie mir so wohlig zurechtgelegt habe, weil sie bequem sind, weil sie weniger weh tun, als ich es von der Realität annehme?

Der Satz fordert auf, klar hinzusehen:
Was ist ein Ziel, mein Leuchtturm? Was ist real, was ist eine Illusion?
Und dann zu überlegen: Was brauche ich – und was disqualifiziere ich?
Es ist nicht immer leicht, wenn es persönlich wird, ehrlich mit sich zu sein – das ist mir sehr bewusst.
Aber bei sich selbst von Zeit zu Zeit die Spreu vom Weizen zu trennen, schafft auch wieder Platz.

Wenn man einen hartnäckigen Traum hat, eine sehr standhafte Illusion, dann kennen wir in der Mediation die Wunderfrage:
Stell dir vor, du wachst eines Tages auf. Du lebst, du fühlst dich wohl, es geht dir gut – der Traum, die Illusion ist einfach weg.
Was ist passiert? Wie sieht dein Leben jetzt aus? Wie geht es dir?